Andreas Lange: Rezension von „Anmache“
Wie kann ein aus gutem Bürgertum stammender, humanistisch gebildeter und intelligenter Mann, sich selbstbewusst als Verlierer bezeichnen? Wieso versteckt er diesen Makel nicht?
In seinem neuen Buch „Anmache“ beschreibt Jan Deichmohle sein Scheitern am anderen Geschlecht. Das Muster, nach dem Frauen und andere Randgruppen ihr Leid beklagen, funktioniert bei Jan Deichmohle nicht, denn er ist ein weißer Mann. Seine Klage könnte als Fußnote in unserem Bewusstsein verschwinden, wäre da nicht sein Optimismus, dass sein Bekenntnis ein Auftakt zu einem Umbruch sei.
Ein Auftakt zur Revolution? Wie kann Klagen revolutionär sein? Dient es nicht dazu, mehr Rechte, Rücksichten und Vorteile zu bekommen? Das Klagen des Feminismus ist nach Meinung des Autors nicht revolutionär, sondern ein alter Hut. Das Klagen von Männern sei jedoch ein Bruch mit einem Paradigma. Jan Deichmohle geht so weit, zu sagen, dass die Position der männlichen Verlierer die neue, moderne und wissenschaftlich gefestigte Argumentation begründet, die in Zukunft das Leiden der Männer und damit auch das von Frauen verringern kann.
Es scheint, der Autor mutet dem männlichen Leser zu, sich als Verlierer zu sehen oder, wenn der Leser eine Frau ist, als männliches Leiden verursachende Täterin. Wie kann Jan Deichmohle erwarten, dass jemand das Buch liest, wenn ihm als Ergebnis nur die Rolle als Verlierer oder Täter zugewiesen wird? Diese Frage ist aus der Perspektive Deichmohles falsch gestellt. Er formuliert sie anders: warum, so fragt er, verschließen die Menschen ihre Augen vor Grundtatsachen menschlichen Lebens, wenn das Verstehen dieser Tatsachen, uns von der Täter- und Opferrolle befreien kann?
Mit dieser Fragestellung im Rücken muss das Buch „Anmache“ und auch alle anderen schon erschienenen Bücher von Jan Deichmohle gelesen werden. Ein Leser kann bei der Lektüre an sich selbst erproben, wie schwer ihm die Akzeptanz der vom Autor vermittelten Fakten fällt. Mit Unbehagen wird er die Gefühlslage eines vom weiblichen Geschlecht gemiedenen Mannes nachempfinden, wenn dieser Mann die Stirn besitzt, den Grund seiner Abweisung nicht in sich selbst zu suchen. Was gibt ihm das Recht dazu? Gib es Ursachen für das „Abwimmeln“ durch das andere Geschlecht, die ganz woanders liegen?
Jan Deichmohle erprobt eine Vielzahl von Stilmitteln und Themen, mit deren Hilfe er den Leser dazu bringen will, den feministischen Standpunkt aufzugeben. Essays zum Kontrapunkt barocker Musik, avantgardistisch anmutende Texte aus den 80ern. Analysen uralter Religionen, Massenmigration oder sehr intime Äußerungen zu seiner Person sind einige Beispiele seiner Methode.
Wer Jan Deichmohle auf seiner Reise durch die Geschichte des Feminismus und der männlichen Verlierer begleitet, erhält als Gegenleistung eine Perspektive, die weit über dem Themenkreis des Feminismus herausreicht. Diese Perspektive ist authentisch, denn sie ist durch eigenes Erleben verbürgt. Sie ist nach Ansicht des Autors aber auch richtig, weil sie den Tatsachen entspricht und wissenschaftlich beweisbar ist.
Dieses neuartige Buch gibt es hier. Heute sieht die zweite Auflage so aus:
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