Die feministischen Hirsche
Archäologen haben bei Ausgrabungen eine ausgestorbene Tierart entdeckt, die offenbar erstaunliche Eigenschaften hatte, aber letztlich aufgrund seltsamer Ereignisse, die gerade untersucht werden, vom Erdboden verschwunden ist. Das ist der Stand der Forschungen, die von Prof. Dr. Sah Tiriker geleitet werden:
Aus Funden, Knochenbau und Funden an Grabungsstellen geht eindeutig hervor, daß die neu entdeckte Hirschart sprechen konnte und über ein ausgeprägtes Sozialverhalten verfügte. Wir unterscheiden zwei Phasen der Entwicklung: Erstens, die klassische Phase, etwa sieben Millionen Jahre lang. Zweitens, die kulturrevolutionäre Phase vor dem Aussterben von einigen hundert Jahren.
Beide Phasen unterscheiden sich enorm und sind schon von Laien auf den ersten Blick zu erkennen.
Sieben Millionen Jahre lang liefen die Hirschen und Hindinnen in kleinen Gruppen umher; ihre Gesellschaft war geprägt von erstaunlich komplexen Tauschstrukturen, wie sie bei Menschen von Ethnologen beschrieben werden. Manche Hirschgruppen gruben mit ihren Geweihen Honig aus den Nestern wilder Bienen, die in Baumhöhlen nisten, andere ernteten Eicheln und ähnliche Früchte von Bäumen. Einige Gruppen von Hirschen hatten sich auf das Abstreifen des Laubs von Bäumen mithilfe ihrer Geweihe spezialisiert. Hindinnen wiederum sammelten Gräser, Beeren, und rupften Wurzeln aus. Manche Gruppen von Hindinnen waren damit beschäftigt, Bast von Bäumen zu lösen und daraus nützliche Dinge zu flechten.
Von Kindheit an lebten sie in einer Welt des Tausches. Die Hindin und die Kitze fühlten sich sicher, gesschützt durch die Geweihe der Hirsche. Der Honig aus Baumhöhlen, den zu holen Hirschen manchen Stich wütender Bienen bescherte, wurden getauscht gegen feine Gräser oder Wurzeln. Hindinnen gaben den Hirschen geflochtenen Bast, der vor den Stichen der Bienen schützte.
So teilten sie, und standen in Bezug aufeinander. Ganz klar ist, daß sich wie beim Menschen Gefühle daraus entwickelten, denn sie wußten, sich aufeinander verlassen zu können. Die Hindin wußte: Dort draußen ist eine Gruppe Hirsche, die Honig holt und mir bringen wird. Ich kann mich auf die Hirsche verlassen, sie tun das für mich. Und die Hirsche wußten, die Gruppe Hindinnen da drüben sucht feine Wurzeln und rupft sie aus. Sie tut das für mich. Die Bienen werden mich nicht so arg zerstechen können, weil eine andere Gruppe Hindinnen dafür sorgt, daß ich einen Bastschutz tragen kann.
Was immer die Gruppe tat, war nicht für die Mitglieder der Gruppe allein, sondern vor allem für die Gemeinschaft, für den Tausch, und als Liebesgabe. Indem der Hirsch den wütend stechenden Bienen abgenommenen Honig zu einer Gruppe Hindinnen brachte, hatte er eine Gabe an sie, die auch oft Liebesgabe war. Die Hinndinnen erwiderten mit ihren Liebesgaben, denn eine Gabe verpflichtet, die es Marcel Mauss auch bei Menschen feststellte. Oft war die Gabe von Honig der Beginn einer Beziehung zwischen Hirsch und Hindin. Auf diese Weise brauchte auch weniger mit Geweihschaufeln um Rang gerangelt werden, um Zugang zu Hindinnen zu erhalten, wie es notwendig war, wo solche Kultur fehlte.
Dieser Tausch zwischen Gruppen von Hirschen und Hindinnen, und zwischen Hirschen und Hindinnen allgemein, ließ eine komplexe Sozialstruktur entstehen, die wir mit Fug als eine Hirschkultur bezeichnen können. Die Art wurde dadurch sehr erfolgreich und breitete sich über den ganzen Planeten aus. Doch dann geschah etwas sehr merkwürdiges.
Schon Jahrhunderte vor den Ereignissen, die zum Aussterben führten, hatten einige Hirsche sehr seltsame Ideen. Sie bezeichneten ihr eigenes Geschlecht, die Hirsche, als „tyrannische Wesen”, die arglistiger Weise Geweihe wachsen ließen, nur um die „armen unschuldigen Hindinnen zu ärgern”, wogegen die Hindinnen als „lichte Göttergestalten” portätiert wurden. Dieses Gedankensystem nannten sie „Philosophie der Aufklärung”. Gleichzeitig glaubte die Hirschgesellschaft, nunmehr alles besser zu wissen als die Natur – und besser als ihre Vorfahren, und der Hirschgott, an den manche glaubten; sie waren überzeugt, Bringer des Lichts zu sein und endlich Licht zu bringen in ein zuvor finsteres Zeitalter, in dem sie alles besser machten als zuvor. Im Gefolge dieser Philosophie wurden viele der klügsten und edelsten Hirsche enthauptet. Man nannte es: Revolution.
Hatte vorher ein kulturelles Tauschsystem das Leben geformt, so übernahm dies nun eine neugeschaffene Macht: der Hirschstaat. Dieser Staat erließ Gesetze und Vorschriften, wo es früher nur eine natürlich gewachsene unbewußte Struktur gegeben hatte, die nun immer mehr zurückgedrängt wurde. Jedes Gesetz, das erlassen wurde, jede Vorschrift des Staates, die das Hirschleben regelte, löste notwendigerweise die über sieben Millionen Jahre gewachsene Kultur weiter auf.
Dieser Verdrängungsprozeß von Kultur durch gesetzliche Zwänge nahm etliche Generationen in Anspruch. Längst waren jene Hirsche ausgestorben, die noch die natürliche, über sieben Millionen Jahre bestehende Kulturform der Hirsche erlebt hatten und kannten, als der nächste Zerstörungsprozeß folgte. Wir müssen uns vergewärtigen, daß Tiere, einschließlich unserer Hirschart, über Instinkte verfügen, die dem Tier nicht bewußt und durch Einsicht sehr schwer änderbar sind. Diese Instinkte gibt es, weil sie unter natürlichen Bedingungen vorteilhaft für das Überleben sind, und sich daher im Laufe der Evolution durchgesetzt haben, und so genetisch verankert sind. Wir werden sehen, wie diese urspünglich nützlichen Instinkte unter unnatürlichen Umständen einen Amoklauf und letztlich den Zusammenbruch auslösten.
Bereits die Hirsche der Aufklärung, die so häßliche Dinge über Hirsche (also sich selbst) dachten, Hindinnen aber vergötterten, waren dabei inspiriert und geprägt von Instinkt: dem Instinkt, Hindinnen immer zu helfen, sie immer zierlich, schützens- und begehrenswert zu finden, ohne zu fragen, ob sie recht haben, gut sind oder nicht. Denn Hindinnen können Kitze gebähren, die Zukunft der Hirschart. Umgekehrt sind männliche Hirsche evolutionär ein „Filter für Gene”. Die Evolution will, daß sich nur die mit den besten Genen fortpflanzen. Also besteht ein heftiges angeborenes Vorurteil gegen Hirsche, umso heftiger, je niedriger ihr Rang. Als dieses angeborene Vorurteil sich nun in die Philosophie der Hirsche einschlich, begann ein selbstzerstörerischer Prozeß, der schließlich in die Katastrophe mündete.
Die Hirschgesellschaft wollte alles besser wissen und besser machen. Die Produktion von Lebensmitteln wurde organisert und automatisiert. Plötzlich brauchte jedes Tier Geld, und immer mehr war nur für Geld erhältlich. Dinge, die einst eine Tauschgabe waren, die soziale Beziehungen zwischen Hirsch und Hindin, und zwischen Gruppen von Hirschen und Hindinnen schufen, oder eine Liebesgabe waren, wurden nun zu einem bloßen materiellen Wegwerfprodukt, das für Geld gekauft und dann fortgeworfen wurde.
Eine Tauschgabe ist in hohen Ehren zu halten, denn sie drückt soziale Verbindung und Verpflichtung aus. Eine Liebesgabe wird begreiflicherweise auch in hohen Ehren gehalten, denn sie drückt Liebe aus. Doch eine gekaufte Ware ist seelisch wertlos, ein Wegwerfprodukt, das rasch außer Mode gerät und dann fortgeschmissen wird. Auf diese Weise werden die Umwelt verschmutzt und die Ressourcen verschwendet.
Plötzlich gab es sehr viel größere soziale Unterschiede. Je weniger Hirsche und Hindinnen tauschten, desto größer wurden Einkommensunterschiede. Und was der ein hatte, kam nicht mehr bei der anderen an, und umgekehrt, worüber die eine verfügte, kam nicht mehr bei dem anderen an. Da sich die sozialen Bande zwischen der Gruppe von Hirschen und der Gruppe der Hindinnen zusammen mit dem Tausch auflösten, gerieten ihre zuvor gleichen oder zueinander passenden Interessen auf Konfliktkurs. Mehr noch, da Hirsche und Hindinnen kein Tausch mehr verband, wurde auch die Anknüpfung von Liebesbanden ein Problem. Denn beide Seiten wurden sich fremder. Die biologische sexuelle Selektion wurde stärker, verlangte den Hirschen immer mehr Rangkämpfe ab, um den Anforderungen der immer wählerischeren Hindinnen zu genügen. Das wurde nicht mehr durch das kulturelle Tauschsystem, die Gegenseitigkeit, abgefedert.
Die davon ausgelösten Wirren sorgten für Probleme, die den Hirschstaat veranlaßten, immer mehr und strengere Gesetze zu erlassen, die logischerweise immer mehr Kulturreste verdrängten oder gar zerbrachen, indem einfach verboten wurde, was an Regeln der natürlichen Kultur noch bestanden hatte. So schaukelten sich die Probleme hoch, indem sie mit dem Gift bekämpft wurden, das diese Probleme erst schafft.
In dieser ohnehin schon brisanten Situation zündete nun die zweite Stufe der Zerstörung: Die Hindinnen begannen, die hirschfeindlichen Theorien der Hirsche, dieser seltsamen „Aufklärung” für sich zu entdecken. Zudem waren sie vom Wandel und dem Schwund an Hirschkultur verwirrt. Hierbei kam auch die angeborene schiefe Sicht des Hirschinstinkts zum Tragen, denn auch die Hindinnen selbst fühlten sich schützenswert, als Opfer, das mehr zu berücksichtigen wäre, die Hirsche aber, die ihnen immer so geholfen hatten, fühlten sie im Geiste jener Epoche als „tyrannisch”, „böse”, „unterdrückerisch” – kurzum, sie gaben den Hirschen Schuld an der ganzen Entwicklung. Der Hirschfeminismus war geboren.
Wissenschaftlich betrachtet läge die Schuld der Hirsche in der Dummheit, sich selbst als „tyranisch” und „böse”, die Hindinnen aber als „wehrloses unschuldiges Opfer” empfunden und in ihrer Philosophie dargestellt zu haben. Ihre Schuld lag also darin, sich ins eigene Fleisch zu schneiden, sich selbst zu unterdrücken. Doch die instinktive Empfindung ging ebenso wie die Hirschphilosophie in die entgegengesetzte, falsche Richtung.
Hindinnen begannen sich zusammenzurotten. Da sie den Hirschen und der Hirschkultur die Schuld gaben, feindeten sie alles am Tauschsystem der Hirschgesellschaft an, was an kläglichen Resten noch bestand und ihnen bewußt wurde. Je größer die Zerstörung des Tauschsystems, desto mehr wuchs die Verwirrung und Entfremdung. Sie fühlten sich immer fürchterlicher unterdrückt, je mehr die Gegenseitigkeit verschwand, die sie bekämpften. Auch das war ein sich selbst verstärkender Zerstörungsprozeß.
Dieser Prozeß bewirkte, daß mehrmals die Generation der Tiere ausstarb, die noch die vorigen Kulturreste kannte, und daher auch ihren Nutzen noch erlebt hatte. Die nächste, bereits in Unkenntnis aufgewachsene Generation, konnte dann in voller Überzeugung aufwachsen, daß „dies doch nur finsterste Unterdrückung gewesen sei”, weil sie es nicht besser wußten, ihren neuen Überzeugungen so fremd erschien. Die nächste Generation konnte damit, aufgrund ihrer persönlichen Unkenntnis, des kulturellen Gedächtnisverlustes, die nächste Welle feministischer Hindinnen (und ebenso Hirsche) begründen.
So wiederholte sich das Spiel von Generation zu Generation erneut, bis nichts, aber auch gar nichts, mehr übrig war von der natürlichen Hirschkultur, die eine der menschlichen Sprache vergleichbare abstrakte Struktur gewesen war.
Die Hindinnen wurden von Generation zu Generation wütender. Die einen verübten Anschläge auf Hirsche, oder auf Güter der Hirschgesellschaft. Andere beschäftigten sich ihr ganzes Leben mit keinem höheren Ziel, als jeglichen Rest an Differenz zwischen Hindin und Hirsch, und jeglichen Rest darauf gründender Kultur auszulöschen. Sie nannten das im Endstadium ihrer Ideologie „Gender-Mainstreaming”. Sie leugneten gar die Existenz zweier Geschlechter, behaupteten, es gäbe 50 oder unendlich viele Hirschgeschlechter. (Reimt sich auf: Gelächter!)
Die einen Hindinnen erwogen, den Hirschen ihre Geweihe abzusägen, die anderen Hindinnen trugen Geweihprothesen, was sich weit verbreitete. Nun wurde vom Staat verlangt, Hindinnen müßten genauso sein wie Hirsche, und folglich dürfte es keine Hirschgruppen mehr geben. Auch unter die röhrende Hirsche – so sie nicht als „sexistisch” verboten wurden – mußten Hindinnen aufgenommen werden, die zum Mitröhren aufgefordert wurden. Das Hauptziel der Kitzerziehung bestand künftig darin, den jungen Hindinnen das Röhren beizubringen, den verachteten Junghirschen aber jedes Hirschverhalten zu verbieten, streng zu bestrafen, sie notfalls mit Pflanzendrogen ruhigzustellen, damit die sprunghaften Junghirsche die an Hindinnen orientierte Gesellschaft nicht stören. Ganz nebenbei wurden die Anforderungen (selektiv nur für eine Seite) ständig gesenkt, damit mehr Hindinnen sich unter die Hirsche mischten.1
Da es nun nichts mehr zu tauschen gab, begann die Hirschgesellschaft vollends zusammenzubrechen. Doch Hirsche, die sich noch erinnern konnten, wie Kultur funktioniert, gab es schon einige Jahrhunderte nicht mehr. Außerdem wurden sie übelst verleumdet als „unterdrückerische, alte, weiße Hirsche”, was zum Schimpfwort wurde. Die ganze Hirschgesellschaft in ihrem Wahn hatte sich darauf versteift, alles Übel der Welt liege an jenen vertrackten, angeblich „patriarchalischen” Kulturresten, die alle massive staatliche Unterdrückung durch Gesetz, moralische Ächtung, Erziehung und Manipulation noch nicht vollständig ausradiert habe.
Je weiter der Prozeß fortschritt, desto wütender wurden die Hindinnen, und desto unzufriedener auch die Hirsche. Denn indem sich Hindinnen (ob mit oder ohne Geweihprothese) unter die Hirsche mischten, desto mehr fühlten sie sich unterdrückt. Das liegt daran, daß der Umgang der Hirsche untereinander rauher ist als der von Hindinnen.
Hindinnen sind gewohnt, zart und privilegiert behandelt zu werden, weil sie Hindin sind. Diese Bevorzugung erhalten sie unter natürlichen Umständen auch – was die Hindin im Laufe der Evolution an Bevorzugung erst gewöhnt hat. Doch Hirsche müssen ja aufgrund ihrer Abhängigkeit von sexueller Selektion durch Hindinnen mühsam um Ränge kämpfen in männlichen Hierarchien. Nur die Gewinner haben eine Chance auf Fortpflanzung. Dershalb ist der Umgang der Hirsche untereinander sehr viel rauher und offener. Gegenüber Hindinnen und Kitzen legen Hirsche dagegen ein behutsames Verhalten an den Tag. Doch die Ideologie hatte ja festgeschrieben, daß Hindinnen sich unter die Hirsche mischen und dieselben Aufgaben haben müßten. Nicht nur konnte es so keinen Tausch mehr geben, sondern nun fanden sich Hindinnen unter Hirschen wieder, deren normale, natürliche Umgangsform untereinander sie jetzt subjektiv als „Unterdrückung” empfanden, weil sie ja in der natürlichen Kultur bevorzugt werden. Also forderten die Hindinnen im Hirschrudel die gleiche Bevorzugung, was eine radikale Benachteiligung der Hirsche verursachte.
Außerdem hatten Hirsche nun keine Möglichkeit mehr, ihr natürliches Verhalten auszuleben, weil sie ja überall auf die empfindlich reagierenden Hindinnen Rücksicht nehmen mußten. Der Zerfall der natürlichen Geschlechtergruppen hatte nicht nur die Beziehungen zerstört und vergiftet, sondern auch ein Gefühl ständiger Unterdrückung geschaffen. Tatsächlich, in einem solchen uniformen, geschlechtsneutralen Modell sind tatsächlich sowohl Hirsch als auch Hindin unterdrückt – Hirsche freilich weitaus mehr als Hindinnen. Die Dummheit, es besser wissen zu wollen als die Natur, hat reale Unterdrückung geschaffen, die vorher, im Naturzustand, nur eine irrige, falsche Annahme gewesen war, einem angeborenen Instinkt entsprossen, der zu falscher Wahrnehmung führt.
Außerdem konnte das nunmehr gemischgeschlechtliche Rudel nicht mehr die Funktion übernehmen, die das männliche der Hirsche auch für die Hindin hatte: Nämlich den Rang des Hirschs zu zeigen, nach dem die Hindin entscheidet, ob sie eine Annäherung annimmt oder ablehnt. Biologisch gibt es nämlich keine Rangkonkurrenz zwischen Hirsch und Hindin; ein Hirsch muß sich zurückhalten in einer solchen Konkurrenzsituation mit Hindin, sonst ist sein Ansehen verloren, was biologisch vorgegeben ist. Also hat das berufliche Rudel immer weniger Bedeutung; die Hirsche arbeiten weniger, bauen sich in ihrer Freizeit Ersatzgruppen und Ersatzmoden auf, um sich Rang, Ansehen, Identität zu erarbeiten, und von Hindinnen beachtet zu werden. Das verschwendet viel Zeit, und gewählt werden am Ende oft nicht die bei der Arbeit besten Hirsche, sondern Modefuzzis oder gar asoziale Blender.
Schlimmer noch war, daß Hirsche nunmehr überflüssig wurden in der Hirschgesellschaft. Hindinnen hatten alles – sie konnten weiterhin Kitze gebähren, sie konnten weiterhin Gräser, Wurzeln und Beeren sammeln, und sie konnten zusätzlich auch alle Aufgaben der Hirsche übernehmen, mit staatlichem Zwang zu mindestens 50 Prozent in allen Bereichen, die sie interessierte. (Hirschen blieb allenfalls die Drecksarbeit, doch auch das konnte ihre Überflüssigkeit nicht lange aufhalten.)
Die Ideologie der Gleichheit hatte also nicht etwa die – schon immer bevorzugte – Hindin „befreit”, sondern ein ganzes Geschlecht überflüssig gemacht, die Hirsche. Das ist das schlimmste, was einem Geschlecht angetan werden kann. Doch der angeborene Instinkt ließ die Tiere weiterhin annehmen, Hindinnen seien unterdrückt und benachteiligt, obwohl tatsächlich Hirsche radikal unterdrückt und benachteiligt waren, und im übrigen seit jeher, auch in den 7 Millionen Jahren zuvor, immer die tatsächlich benachteiligten und stärker belasteten gewesen waren. Doch diesen Widersinn begriffen die Tiere nicht. Sie merkten nur, daß die Natur sich nicht ihrer Ideologie anpassen wollte, daß ihr Leben immer unglücklicher und unerfüllter wurde, was sie nur noch mehr wüten und nach immer mehr Gesetzen schreien ließ, diese „unterdrückerischen Zustände” endlich abzuschaffen.
Dabei wuchsen die Gesetzbücher immer weiter, wurden dicker, fetter, restriktiver, drangen immer weiter in einst private Lebensbereiche ein, die von immer neuen Vorschriften totgeregelt wurden. Fakt ist, daß die reale Unterdrückung von Ideologie und gesetzlichen Zwängen ausging, und es die Natur und Hirschkultur war, die unterdrückt wurden. Doch das war wiederum den Tieren nicht begreifbar, so tief hatten sie sich verstrickt in Ideologie, die auf Instinkten gründete, die zu einer schiefen Sicht führen – was unter natürlichen Bedingungen hilfreich war, sich jetzt aber fürchterlich rächte.
Aufgrund der gestörten Beziehungen der Hirschgesellschaft, insbesondere der zusammenbrechenden Bande zwischen Hirschen und Hindinnen, wurden Kitze immer seltener geboren. Ja, plötzlich war es „politisch inkorrekt”, auf fruchtbarem Sex zu stehen. Der Staat kümmerte sich vor allem um sexuelle Aktivitäten zwischen Hirschen und zwischen Hindinnen, was zu bevorzugen zum neuen Maßstab Guthirschtums und politischer Korrektheit wurde.
Die Hirschgesellschaft alterte und schrumpfte. Zu jener Zeit begannen sich die anderen Hirscharten in der Welt auszubreiten und unsere ausgestorbene Art zu verdrängen. Denn die anderen Hirscharten waren von dieser seltsamen geistigen Krankheit nicht befallen: Ihre Hirsche röhrten munter, die Hindinnen ästen munter, sie paarten sich munter, hatten Kitze, und keine selbstbezogenen und auf das eigene Geschlecht fixierte feministische Hindinnen betrieben dort Kulturrevolution.
Millionenherden der gesunden Hirscharten verdrängten die befallene Art: Cervus insapiens insapiens.
Also sprach der Archäologe.
1Wo einst hohe Anforderungen an Qualität, Objektivität und Sachlichkeit galten, wurde nunmehr mit staatlicher Gewalt hineingefördert, was Hindin, feministisch, subjektiv, betroffen, emotional, voreingenommen und frei von wissenschaftlicher Objektivität war.
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