Schlager, Kitsch und die Pubertät einer scheiternden Republik

Fortsetzung des Ausflugs in die seichte Muse. Wer hier nicht gerührt ist, der ist zutiefst rückschrittlich und fremdophob.

«Barcarole in der Nacht
Du hast Tränen mir gebracht
Er heißt Pierrot und es gibt
Eine andere, die er liebt» (Connie Francis, 1964)

Sie sang sehr gerne über die Fernstenliebe. Sie mochte selbst aus der Ferne stammen, doch die Signalwirkung in der jugendlichen Republik war klar: hiesige Frau, eingereister Mann, Liebeslied. Auch eine Schnulze, die den Mann zum Bleiben bewegt, erhält so Untertöne mit einer Bedeutung, die nicht mehr privat ist. Daß dies kein Hineindeuten meinerseits ist, zeigt sich auch daran, daß viele Schnulzen um 1965 von griechischen Sirtakiklängen untermalt sind, die rein zufällig zur damaligen Gastarbeiterwelle passen. Doch gekommen waren Männer.

«Du Mußt Bleiben Angelino,
meine Liebe ist so groß.» (Connie Francis 1964)

Wer naiv gerührt tut wegen der Liebe, die selbstverständlich keine Grenzen kenne, verkennt die Realität, übersieht männliche Verlierer, die es logischerweise vermehrt geben muß, wenn Mädchen in Unterzahl geraten. Inzwischen sind viele der damals Verdrängten kinderlos gestorben, vermögen ihre Stimme nicht mehr zu erheben. Eine große Schar hinzukommender Männer entspricht dem Zustand eines verlorenen Krieges, wenn die Sieger in biologischer Kriegsführung Frauen des Landes nehmen, wobei aus Sicht von Biologie und Zeugung der Unterschied zwischen Vergewaltigung und tränenrührender Schnulze in ein paar Generationen unsichtbar sein wird: Die langfristigen Folgen gleich sich; die eigenen männlichen Verlierer sterben aus. An ihrer Stelle entsteht ein anderes, den Verlierern fremdes Volk. Sie haben es nicht geschafft, den Imperativ des Lebens, in eigenen, ihnen ähnlichen Kindern fortzuleben, zu erfüllen. Das ist das schlimmste, was man Männern antun kann.

Kurz nach dem Dammbruch 2015 sah ich auf Twitter eine treffende Karikatur, die ich leider nicht gespeichert habe. Sie nannte sich: „Endlich kommen die richtigen Flüchtlinge” und zeigte ein Boot voller nackter Blondinen. Da sich das Original nicht mehr finden ließ, habe ich hier nur ein unähnliches Beispielbild mit nur wenigen Frauen.

Wer angesichts fast ausschließlich Männern kriegstauglichen Alters oder Jungen immer noch an das Flüchtlingsmärchen glaubt, nicht die Sogwirkung eines modernen Goldrauschs erkennt, ist zu dumm für jedwede politische Verantwortung, begreift nicht den schleichenden Androzid, der mit infantil-pubertärem Liebeskitsch übertüncht wird. Die Musik erspare ich euch diesmal; unsre Schlager sind oft zu blöd.

«… und ich nach Germany.
Was ich auf meinem Trip dort sah,
berichte ich für Sie.
Schwarz und braun und gold sind sie,
die hübschen Girls aus Germany.» (Fats and his Cats, 1964)

Fein! Der Ruf unsres Fräuleinwunders hat sich herumgesprochen, lockt nach den Soldaten der Besatzer nun auch Touristen ins Vergnügen. Hinter der Fassade pubertärer Liebesschnulzen zeigt sich zynische Kälte gegenüber eigenen Männern, tendenziell in Vorwegnahme linker Teddybärenwerfer, die heute das ganze Land zerstören.

Schon 1964 wurde Werbung gemacht für den Besuch ausländischer Männer bei unsren Mädchen. Hat damals niemand protestiert? Anscheinend gab es Proteste, die aber in bewährter Manier publizistisch unterdrückt wurden. Einer unsrer hochgenialen Politiker äußerte kürzlich, es habe zur Zeit der Gastarbeiter damals doch auch Proteste gewesen, doch davon rede auch keiner mehr. Offenbar denken sie, nur lange genug aussitzen zu müssen, bis alle männlichen Verlierer gestorben sind und keiner mehr protestieren kann. Bei solchem Zynismus gegenüber den eigenen Männern fragt sich, ob die Vorsicht früherer Epochen nicht wesentlich warmherziger und klüger gewesen ist. Sie darf nur nicht durch Verbrecher in Verruf geraten. Aber bitte nicht weinen, denn weinen dürfen nur Frauen und Kinder. Dann kommt sofort ein Mann (Roberto Satti) aus Rom und singt tröstend:

«Ich sehe dich weinen» (Bobby Solo, alias Roberto Satti, 1965)

Wie schön, daß es damals schon Fachkräfte zum Trösten trauriger Mädchen gab. Sonst hätten ja schlimmerweise unsre eigenen männlichen Verlierer auf die verruchte Idee kommen können, die traurigen Mädchen selbst zu trösten. Das geht ja gar nicht! Das sind ja Verlierer, die sollen ja keine abbekommen! Aber alles in Butter. Damals hat die Politik ja auch Proteste der Verlierer erfolgreich ausgesessen, starben manche Bauern eben ohne Braut und Nachkommen weg. Kein lauter Protest, also alles in Ordnung. Aber wenn Protest, sind wir alle böse Nazis. Mit anderen Worten, wir haben keine Chance, ob wir protestieren oder nicht, weil wir halt Verlierer sind. Basta.

«Ich steh allein in einsamer Nacht» (Pierre Brice, 1965)

Das darf nun aber wirklich nichts mit nichts zu tun haben. Tja, man hätte Probleme sehr viel früher erkennen können ohne totale Blockade von Verständnis und Mitgefühl für männliche Verlierer. Man könnte die Spur sogar noch weiter zurückverfolgen, bis zum Fräuleinwunder, Vergewaltigungen am Kriegsende u.s.w.

Gitte führte uns 1966 in die neue Logik ein mit einem Singlealbum des Namens „Ich mach Protest. Streit muß nicht sein.” Wunderbar. Wir protestieren doch alle, um Streit zu vermeiden. Der Feminismus zweiter Welle war 1966 bereits im Schlager vertreten, wenn die Sängerin behauptet, zu protestieren, weil man ihr die Freiheit nehmen wolle, nach dem Klischeemuster: Männer kennen keine Unfreiheit, Last oder Bürden, doch zu jammern gibt es spezifisch bei verwöhnten Frauen.

«Plötzlich sind Muttis Hände da.
Und ihre Stimme sagt
„Laß ihn geh’n!”
Nein!
Ich mach Protest,
Ich mach Protest,
wenn man mir nicht
meine Freiheit läßt. (Gitte Haenning, Ich mach Protest, 1966)

Höre und lese ich richtig? Kleine Übungsaufgabe: Find den Fehler.