Detlev Liliencron, Trutz, blanke Hans
übertragen in 1984er-Neusprech von Jan Deichmohle

Von Mittelmeer, Bosporus glücklich geschieden,
lagen Länder im Abendland einst im Frieden.
Noch tauchen Zeugen auf selbstvernichtender Wut,
als sie lockten, bezahlten, verderbende Flut.
Was noch übrig, plündern sie bald in den Straßen,
nachdem Verstand und Instinkt sie ganz verlassen.

Trutz, dummer Hans!

Ihres Trachtens Haupttriebkraft war bis zur Stunde
gewaltige Dummheit und riß sie zugrunde.
Viele Schiffe sind nun nach Rungholdt gefahren,
denn Rungholt verschenkt sich und macht immer reicher.
Korn, Mädel und Geld für die Fremden im Speicher.
Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.

Trutz, dummer Hans!

Gestern bin ich über Rungholt gefahren.
Einst schlugen Utopisten dort wild und empört,
bis jeder Vernünftge in den Marschen zerstört.
Deichmohles Bücher erschütterten, stöhnten,
doch blieben den Massen unheimlich. Sie höhnten.
Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.

Trutz, dummer Hans!

Goldfieber brach aus, lockt gierig Millionen,
Mehr Mädchen und Geld fordern „Syrer und Mohren.
Mit Goldblech und Flitter in Nasen und Ohren“.
Ihr Emir ruft Krieger, die niemanden schonen.

Aus Afrika schleppen wir euch alle herbei,
Wer sie nicht mit anlockt, der ist ein ganz Mieser!
Wenn Flutwelle wogt, ist schnell alles vorbei.
Wenn schon ein Massenwahn, dann gleich ein ganz fieser!

Trutz, dummer Hans!

Auf allen Märkten, auf allen Gassen,
lärmende Deppen, verführte Massen.
Sie ziehen am Tage hinaus auf die Plätze:
„Für alle Männer der Welt haben wir Schätze!“
Sie drohen allen, die bei Vernunft geblieben,
mit Ächtung, Entlassung und handfesten Hieben.

Trutz, dummer Hans!

Die Reichtümer ebben, ihre Mädchen schwinden.
Stolzgeschwellt Wahnsinnige im Hochmut ruhen.
Messernd zieht Verhängnis um auf leisen Schuhen.
Von Brasilien bis zu Afrikas Riffen,
strömen Massen herbei zu Land und auf Schiffen,
um Gold, Korn, heiße Frauen uns zu entwinden.

Trutz, dummer Hans!

Überall Unfriede, im Meer und den Landen,
plötzlich, wie Ruf eines Raubtiers in Banden:
Das Schicksal wälzte sich, atmete tief
und schloß die Augen wieder und schlief.
Und rauschende, schwarze, langmähnige Wogen
kommen wie rasende Rosse geflogen.

Trutz, dummer Hans!

Ein einziger Schrei grellt – Schilda ist versunken,
ein Kontinent mit Völkern im Wahn ertrunken.
Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
schwamm anderntags nur rechtgläubiger Fisch.
Heute bin ich fort aus Rungholt geflogen,
wo Hysteriker logen, daß Balken sich bogen.

Trutz, dummer Hans!