Denker und Dichter

Monat: Juni 2024

Nicht schon wieder! Nicht noch ein Buch!

Ein Auszug aus dem Buch Nicht schon wieder! Nicht noch ein Buch!

Ihr könnt euch also auf Narreteien und Eulenspiegeleien gefaßt ma­chen. Tja, und was wurde später aus dem Buch? Die Zeitgeschichte kennt ihr wohl selbst: Schon George Orwell sah in seiner dystopischen Zu­kunfts­vi­si­on „1984” Bücher für etwas subversives an. Denn in ih­nen steht für alle Zeiten gedruckt, wie es geschrieben wurde. Daher gibt es keinen Spielraum mehr für nachträgliche Verfälschungen. Das ist gefährlich, denn es überliefert Denken und Wissen ferner Zeiten, könn­te die körperlichen Halbintelligenzler zukünftiger Gegenwart zu ge­fähr­li­chen Dingen verleiten, als da wären: selber denken, zweifeln, in Frage stellen, vergleichen.

Das Wissen der Welt ist gefährlich für jene, die Inhaber von Mo­ral und Fortschrittlichkeit sind, weshalb sie sich die Aufgabe gewählt ha­ben, die Menschheit so umzuerziehen, daß sie den von ihnen auf­ge­stell­ten völlig richtigen und beglückenden Prinzipien entsprechen. Da­zu ist es nötig, die Vergangenheit stets passend umzudeuten, um dar­aus abzuleiten, was die Inhaber progressiver Sicht gerade als er­for­der­lich erkannt haben. Deshalb werden im Roman „1984” alle Berichte stän­dig geändert. Was gestern richtig war, kann heute ins Gegenteil um­ge­kehrt sein. Jeder Artikel, jede Nachricht ändert sich ständig, je­weils dem Bedarf der Oberweisen entsprechend, die ständig das Bild der Welt umschreiben wie Wikipedia, das seit Jahrzehnten von po­li­ti­schen Druckgruppen so umgebürstet wird, wie sie es für ‚progressiv’ hal­ten.

Liebe Freunde der Ironie! Ihr seht schon ein, daß einfach zu müh­se­lig ist, Bücher zu verbrennen oder ein­zeln aus Bibliotheken zu ent­fer­nen. Habt Mitleid mit den Zensoren, die darüber wachen müssen, daß du nichts kritisches vor Augen erhältst, was die gefährliche Unsit­te unbetreuten Selberdenkens auszulösen vermöchte. Erspart Wäch­tern woker Gesinnung den übermäßigen Arbeitsaufwand, alle Bücher der Menschheit, die zu lesen sie eh oft zu doof sind, nach gefährlichen Re­lik­ten selbständigen Denkens durchforsten zu müssen.

Durch einen Unfall der Kulturrevolution könnte das Unglück ge­sche­hen, daß nicht woke, daher ju­gend­ge­fähr­den­de Schriften alter Zei­ten aus Versehen irgendwo in einem finsteren Winkel einer entlegenen Bib­li­o­thek aufbewahrt werden und jene Kulturrevolution überdauern, da­nach Anstoß geben zu subversivem Denken. Oh Gott oh Graus! Ge­druck­te Bücher sind einfach gefährlich, weil zu beständig, nicht lücken­los überwachbar und täglich änderbar, weil ja jeden Tag etwas an­de­res als Wahrheit beschlossen werden kann von den Regenten, die de­mo­kra­tisch in ihren Gremien entscheiden, was denn nun wahr und falsch sein soll.

Viel besser geeignet als altmodische Büchereien mit Büchern sind Weltnetz oder Internet, ideales Medium, um ständiges Löschen, Um­ar­bei­ten, Umschreiben des Wissens der Menschheit zu er­mög­li­chen. Nun können jene, die sich zu Aufsehern über das erhoben haben, was die Wahrheit sein soll, ungehindert ihres Amtes walten. Während du friedlich schläfst, haben sie gerade umgeschrieben, was du gestern noch gelesen hast, aber nie wieder finden wirst.

Wer in diesen progressiven Zeiten lebt, in denen die mühsame Ar­beit des Denkens überflüssig geworden ist, weil künstliche In­tel­li­genz das sehr viel besser vermag und obendrein gründlich geprüft ist, um woke Ergebnisse zu erzielen, also schädliches Selberdenken und Denk­ab­wei­chun­gen vom erwünschten Ergebnis zu vermeiden, damit es keine Diskrepanz mehr gibt zwischen der fortschrittlichen Re­gie­rung und den von Krankheiten wie dem Selberdenkenwollen be­droh­ten Einwohnern, der vermag sich nicht einmal vorzustellen, wie es ein­mal war.

Stell dir vor: In einem Buch steht drin, was jemand unbetreut ge­dacht hat. Also sind Bücher gefährlich. Die in ihnen enthaltenen Ge­dan­ken sind nicht von Gesinnungs- und Faktenprüfern auf uner­wünsch­te Inhalte untersucht und von diesen gesäubert worden. Fakt ist be­kannt­lich, was die große Schwester für richtig erklärt hat. Nur die Ob­rig­keit kann entscheiden, was wahr und was falsch ist. Und selbige weiß, daß in Büchern jede Menge Dinge stehen, die sie für falsch hält, und am schlimmsten von allen Büchern, die je geschrieben wurden, sind jene des Verfemten, des Jan Deichmohle. Laß dich nicht mit sei­nen Büchern erwischen!

Ihr merkt schon, hier lobhudelt einer den Büchern. Aber wieso denn? So ein Buch hält doch auch nicht ewig. Irgendwann verrottet oder zerbröselt das Papier. Ein Fels dagegen, in den ein Zeitgenosse der Neanderthaler Zeichen gemeißelt hat, könnte noch in hun­dert­tau­send Jahren lesbar sein, so er nicht in Bausteine für Metropolen zer­schnit­ten wurde.

Wenn ich etwa zwanzig Jahre lang mit Hammer und Meißel die­ses Buch in die Eiger-Nordwand schlüge, und bis dahin noch nicht von unerfreuten Schweizer Behörden verhaftet worden wäre, würde ich wohl mit diesem Buch noch nicht bei der Zeile angelangt sein, die du gerade liest.

Es geht weiter mit ehrlichen Büchern, die neues Denken und Argumente bringen, zugleich klassisches aufrechterhalten. Von Émile Durkheim über Marcel Mauss und Claude Lévi-Strauss zur Stimme männlicher Verlierer und Incel und heu­ti­gen Evolutionsbiologen. Dokumentarische Berichte von Män­nern, die keine sexuelle Suffrage haben. Wo bleibt Suffrage für Män­ner?

Lest selbst über die kulturellen Grundlagen für die Entwicklung von Gefühlen und Empathie, besonders von Frauen für Männer … Nicht schon wieder!

© 2024 Jan Deichmohle

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