Die sich erniedrigt wähnende Frau

Gute Literatur beschreibt menschliche Züge und Schwächen zeitübergreifend. Aus einer längst verschwundenen Umgebung und Zeit können dann Beobachtungen auftauchen, die bei aufmerksamer, einfühlender Betrachtung in damals ungeahnter Weise auch heute gültig sein mögen, auf ganz andere Umstände passen. Natürlich ist Voraussetzung, unvoreingenommen mitzufühlen. Wer mit feministischem Hochmut auf Traditionen losgeht, wird in diesen nur schlechtes sehen, was aber nichts über die Tradition, dagegen viel über hochmütige Ideologen mit negativer Sicht aussagt.

Denken wir uns Fraktur, altertümliche Sprache und Darstellung weg, einige Schlüsselbegriffe bunter Berufsfrauen1 hinzu, so wandelt sich der nachfolgende Abschnitt aus einst vielgelesener Literatur in eine noch heute passende Beschreibung.

«Die Frau Stadt­ſchrei­ber war näm­lich we­nig be­liebt, und es hät­te nicht viel ge­fehlt, ſo sä­ße ſie heu­te noch als Fräu­lein Sa­lo­mea in dem gro­ßen ein­ſa­men Stadt­hau­ſe. Denn ſie war ein hoch­fah­ren­des und ab­wei­ſen­des, all­zu an­ſpruchs­vol­les Mäd­chen ge­we­ſen. Viel­leicht hat­te ihr, der früh Mut­ter­lo­ſen, ei­ne aus­glei­chen­de Mut­ter­hand, ei­ne wohl­tu­en­de Lie­be ge­fehlt. Ge­nug, ſie war über­ſtolz und über­klug und ver­ſcherz­te ſich Zu­nei­gung und An­­he­run­gen. … fehl­te es ihr nicht an Frei­ern. Aber ſie wies al­le ver­ächt­lich ab; kei­ner dünk­te ihr gut, vor­nehm und ge­bil­det ge­nug für ih­re ei­ge­nen dies­be­züg­li­chen Vor­­ge.

Je mehr ſie ver­ein­ſam­te, de­ſto här­ter wur­de ſie und über­zeug­ter von ih­rem Wert. Da ſtarb ihr Va­ter. Sie emp­fand es wie ei­nen Schlag in den Nacken; nun ſtand ſie al­lein, gleich­ſam vo­gel­frei da… Die Lee­re und To­ten­ſtil­le ih­res Hau­ſes äng­ſtig­ten ſie, und ſo ſag­te ſie blind­lings Ja, als der er­ſte neue Be­wer­ber kam. Das war der Herr Stadt­ſchrei­ber Bit­ter­lich, ein gro­ßer, freund­lich-ern­ſter, wohl be­leu­mun­de­ter Mann, der ver­ſchie­de­nes für das Fräu­lein Sa­lo­mea von Amts we­gen zu er­le­di­gen ge­habt hat­te. Er hat­te hin­ter dem ſtol­zen und ab­wei­ſen­den Auf­tre­ten des Fräu­leins die in­ner­li­che Hilf- und Rat­lo­ſig­keit ih­res Ge­müts ge­ſpürt, und voll Mit­leid mit der Ver­irr­ung die­ſes ſchö­nen, ihm zu al­lem Gu­tem be­ſtimmt ſchei­nen­den We­ſens hat­te er den Mut ge­fun­den, ihr ſei­nen Bei­ſtand und ſei­ne Hand an­zu­tra­gen. Sehr bald fand die ſtil­le Hoch­zeit ſtatt …

Und auch im Hau­ſe ſelbſt ſchien das ech­te Glück auf­zu­kom­men. Denn Sa­lo­mea emp­fand zum er­ſten Ma­le – ihr Va­ter war ihr nie na­he ge­kom­men – ei­ne ech­te Lie­be, durf­te ſich hin­ge­ben, durf­te weich und nach­gie­big wer­den; Dank­bar­keit er­füll­te ſie und Freu­de an ih­rem ſchö­nen, ſtill-hei­te­ren Man­ne. Sie lern­te trau­li­che Aben­de ken­nen, herz­lich-öff­nen­de Ge­ſprä­che und ver­wan­del­te ſich in ei­ne froh wal­ten­de Haus­frau. Und die bei­den Kin­der ka­men, Fer­di­nand und Re­gu­la, Zeu­gen ei­ner le­bens­freu­di­gen Lie­be.

Aber plötz­lich, oh­ne äu­ße­ren Grund, fiel Frau Sa­lo­mea in ih­ren al­ten Zu­ſtand zu­rück. Sie ſchien ih­re Weich­heit und Hei­ter­keit zu be­reu­en, emp­fand ſich als her­ab­ge­ſtie­gen, ſuch­te längſt fort­ge­leg­te Be­ſchäf­ti­gung mit Bü­chern und Kor­re­ſpon­den­zen mit ent­fernt le­ben­den, un­be­deu­ten­den, aber wich­tig ſich ge­bär­den­den, wiſ­ſen­ſchaft­lich ſtüm­pern­den Leu­ten wie­der her­vor, häng­te ih­re al­te Hoch­muts­fah­ne wie­der aus, bau­te an ſtol­zen Plä­nen für ih­re Kin­der, de­ren Zu­kunft ih­re jet­zi­ge küm­mer­li­che Si­tu­a­ti­on als Klein­bür­gers­frau recht­fer­ti­gen ſoll­te, und um­gab ſich mit Käl­te, Spott und Über­he­bung. Ihr gu­ter Mann ver­ſuch­te ver­ge­bens, ei­ne Bre­ſche zu ih­rem Her­zen zu ſchla­gen. Sie wies ihn mit lä­cheln­der Über­le­gen­heit ab und ſetz­te ſich zu ih­ren Bü­chern und Pa­pie­ren, wo ſie ih­rer Ent­täu­ſchung und Stan­des­er­nied­ri­gung nach­trau­er­te.» (1915, Kurt Münzer, Die Rosentreppe, eine Schweizer-Novelle)

Ein schöner Bericht aus der Zeit des Kaiserreichs. Jetzt fehlt nur noch eine Feministin, die der enttäuschten Frau, die Männer abweist und verschreckt, die ihr Liebe entgegenbringen, einflüstert und weismacht, sie sei unterdrückt, sie müsse mit ihren streitbaren Schwestern kämpfen. Dann kracht es. In unsrer Epoche berufsempörter Frauen, die sich 50 Jahre lang von alles und jedem erniedrigt fühlten, wirkt das Zitat aus einer Novelle wie Vorwegnahme heutiger Verirrungen.

Auch die heutige Hysterie endet damit, daß Feministinnen Probleme und ‚Vergewaltigungskultur’, die es zuvor nie gegeben hatte, mit ihrer hysterischen Politik erst geschaffen haben. Das radikalfeministische Schweden wurde Vergewaltigungshochburg der Welt, indem jahrzehntelang der ‚heterosexuelle weiße Mann’ zu Unrecht angefeindet, verteufelt und bekämpft wurde, über offene Grenzen, Entwurzelung, Massenmigrationsflut und sexuellen Notstand dann genau das angerichtet und verbreitet wurde, wovor sie Frauen seit Jahrzehnten zu ‚schützen’ vorgaben. Ihr schlechtes Karma fällt auf sie selbst zurück.

Lest meine Bücher, die teils wissenschaftlich, teils literarisch den Käfig zeitgenössischer Ideologie in Stücke legen, einen besseren Platz aufsuchen, um dort den Grundstein für ein offenes und objektives Gebäude zu legen.

Fußnote

1 d.h. Feministinnen, deren Hauptberuf ist, Frau zu sein, dafür Vorteile und Geld abzuzocken.