Denker und Dichter

Monat: November 2019 (Seite 2 von 2)

Schlager, Kitsch und die Pubertät einer scheiternden Republik

Schlager, Kitsch und die Pubertät einer scheiternden Republik

Fortsetzung des Ausflugs in die seichte Muse. Wer hier nicht gerührt ist, der ist zutiefst rückschrittlich und fremdophob.

«Barcarole in der Nacht
Du hast Tränen mir gebracht
Er heißt Pierrot und es gibt
Eine andere, die er liebt» (Connie Francis, 1964)

Sie sang sehr gerne über die Fernstenliebe. Sie mochte selbst aus der Ferne stammen, doch die Signalwirkung in der jugendlichen Republik war klar: hiesige Frau, eingereister Mann, Liebeslied. Auch eine Schnulze, die den Mann zum Bleiben bewegt, erhält so Untertöne mit einer Bedeutung, die nicht mehr privat ist. Daß dies kein Hineindeuten meinerseits ist, zeigt sich auch daran, daß viele Schnulzen um 1965 von griechischen Sirtakiklängen untermalt sind, die rein zufällig zur damaligen Gastarbeiterwelle passen. Doch gekommen waren Männer.

«Du Mußt Bleiben Angelino,
meine Liebe ist so groß.» (Connie Francis 1964)

Wer naiv gerührt tut wegen der Liebe, die selbstverständlich keine Grenzen kenne, verkennt die Realität, übersieht männliche Verlierer, die es logischerweise vermehrt geben muß, wenn Mädchen in Unterzahl geraten. Inzwischen sind viele der damals Verdrängten kinderlos gestorben, vermögen ihre Stimme nicht mehr zu erheben. Eine große Schar hinzukommender Männer entspricht dem Zustand eines verlorenen Krieges, wenn die Sieger in biologischer Kriegsführung Frauen des Landes nehmen, wobei aus Sicht von Biologie und Zeugung der Unterschied zwischen Vergewaltigung und tränenrührender Schnulze in ein paar Generationen unsichtbar sein wird: Die langfristigen Folgen gleich sich; die eigenen männlichen Verlierer sterben aus. An ihrer Stelle entsteht ein anderes, den Verlierern fremdes Volk. Sie haben es nicht geschafft, den Imperativ des Lebens, in eigenen, ihnen ähnlichen Kindern fortzuleben, zu erfüllen. Das ist das schlimmste, was man Männern antun kann.

Kurz nach dem Dammbruch 2015 sah ich auf Twitter eine treffende Karikatur, die ich leider nicht gespeichert habe. Sie nannte sich: „Endlich kommen die richtigen Flüchtlinge” und zeigte ein Boot voller nackter Blondinen. Da sich das Original nicht mehr finden ließ, habe ich hier nur ein unähnliches Beispielbild mit nur wenigen Frauen.

Wer angesichts fast ausschließlich Männern kriegstauglichen Alters oder Jungen immer noch an das Flüchtlingsmärchen glaubt, nicht die Sogwirkung eines modernen Goldrauschs erkennt, ist zu dumm für jedwede politische Verantwortung, begreift nicht den schleichenden Androzid, der mit infantil-pubertärem Liebeskitsch übertüncht wird. Die Musik erspare ich euch diesmal; unsre Schlager sind oft zu blöd.

«… und ich nach Germany.
Was ich auf meinem Trip dort sah,
berichte ich für Sie.
Schwarz und braun und gold sind sie,
die hübschen Girls aus Germany.» (Fats and his Cats, 1964)

Fein! Der Ruf unsres Fräuleinwunders hat sich herumgesprochen, lockt nach den Soldaten der Besatzer nun auch Touristen ins Vergnügen. Hinter der Fassade pubertärer Liebesschnulzen zeigt sich zynische Kälte gegenüber eigenen Männern, tendenziell in Vorwegnahme linker Teddybärenwerfer, die heute das ganze Land zerstören.

Schon 1964 wurde Werbung gemacht für den Besuch ausländischer Männer bei unsren Mädchen. Hat damals niemand protestiert? Anscheinend gab es Proteste, die aber in bewährter Manier publizistisch unterdrückt wurden. Einer unsrer hochgenialen Politiker äußerte kürzlich, es habe zur Zeit der Gastarbeiter damals doch auch Proteste gewesen, doch davon rede auch keiner mehr. Offenbar denken sie, nur lange genug aussitzen zu müssen, bis alle männlichen Verlierer gestorben sind und keiner mehr protestieren kann. Bei solchem Zynismus gegenüber den eigenen Männern fragt sich, ob die Vorsicht früherer Epochen nicht wesentlich warmherziger und klüger gewesen ist. Sie darf nur nicht durch Verbrecher in Verruf geraten. Aber bitte nicht weinen, denn weinen dürfen nur Frauen und Kinder. Dann kommt sofort ein Mann (Roberto Satti) aus Rom und singt tröstend:

«Ich sehe dich weinen» (Bobby Solo, alias Roberto Satti, 1965)

Wie schön, daß es damals schon Fachkräfte zum Trösten trauriger Mädchen gab. Sonst hätten ja schlimmerweise unsre eigenen männlichen Verlierer auf die verruchte Idee kommen können, die traurigen Mädchen selbst zu trösten. Das geht ja gar nicht! Das sind ja Verlierer, die sollen ja keine abbekommen! Aber alles in Butter. Damals hat die Politik ja auch Proteste der Verlierer erfolgreich ausgesessen, starben manche Bauern eben ohne Braut und Nachkommen weg. Kein lauter Protest, also alles in Ordnung. Aber wenn Protest, sind wir alle böse Nazis. Mit anderen Worten, wir haben keine Chance, ob wir protestieren oder nicht, weil wir halt Verlierer sind. Basta.

«Ich steh allein in einsamer Nacht» (Pierre Brice, 1965)

Das darf nun aber wirklich nichts mit nichts zu tun haben. Tja, man hätte Probleme sehr viel früher erkennen können ohne totale Blockade von Verständnis und Mitgefühl für männliche Verlierer. Man könnte die Spur sogar noch weiter zurückverfolgen, bis zum Fräuleinwunder, Vergewaltigungen am Kriegsende u.s.w.

Gitte führte uns 1966 in die neue Logik ein mit einem Singlealbum des Namens „Ich mach Protest. Streit muß nicht sein.” Wunderbar. Wir protestieren doch alle, um Streit zu vermeiden. Der Feminismus zweiter Welle war 1966 bereits im Schlager vertreten, wenn die Sängerin behauptet, zu protestieren, weil man ihr die Freiheit nehmen wolle, nach dem Klischeemuster: Männer kennen keine Unfreiheit, Last oder Bürden, doch zu jammern gibt es spezifisch bei verwöhnten Frauen.

«Plötzlich sind Muttis Hände da.
Und ihre Stimme sagt
„Laß ihn geh’n!”
Nein!
Ich mach Protest,
Ich mach Protest,
wenn man mir nicht
meine Freiheit läßt. (Gitte Haenning, Ich mach Protest, 1966)

Höre und lese ich richtig? Kleine Übungsaufgabe: Find den Fehler.

Wie aus Männern Hampelmänner wurden

Wie aus Männern Hampelmänner wurden

Anfang der 1960er Jahre wurde das Mädchen France Gall zur Chansonsingerin und bald weltweit berühmt. Sie verkörperte mädchenhafte, unschuldige Anmut in einer schwierigen Welt. Heute hören wir in ein Lied hinein, das fast barocke Qualität besitzt, weil die Begleitinstrumente selbständige Melodien im Hintergrund spielen, was selten geworden ist. Musik drückt, wie in einigen meiner Bücher beschrieben, menschliches Leben und Gesellschaft wieder, auch den Zerfall der Menschen und Geschlechter verbindenden Kultur. Kunst, die aus vielen gleichwertigen Melodien bestand, die sich wie verschiedene Menschen und Rollen ergänzen zu einem Gesamtkunstwerk und Gemeinschaft, zerfiel zunehmend in individualistischen Egoismus, in dem der Rest von Musik oder Welt zur achtlos behandelten Füllmasse verkam.

Hier nun erst einmal das Lied, musikalisch nach meinem Empfinden ihr bestes, wenngleich andere beim Gehalt der Lyrik mehr bieten:

«Aber eines Tages hat sich mein Hampelmann

In einen großen Jungen verwandelt.

Er sagte mir:

„Du bist, die ich lieben werde”

Es war mein charmanter Prinz,

von dem ich geträumt habe, als ich ein Kind war.

Er nahm mich in die Arme

Und flüsterte mir zu:

„Als Hampelmann getarnt

Bin ich gekommen, um dich mitzunehmen.

Morgen beginnt ein neues Leben

Für uns beide.”

Gerade in dem Moment

hörte ich plötzlich Schritte.

Es war meine Mutter, die ankam.

Sie trat in mein Zimmer ein.

Der Junge verzauberte sich in eine Hampelfrau

auf wundersame Weise.

In ihrem schönen Spitzenkleid

saß sie auf meinem Bett

Ich weiß nicht, ob ich geträumt habe,

Oder ob es die Realität ist.

Aber ich habe an jenem Tag

die Liebe getroffen.»1 (France Gall, Hampelmann, 1968)

Auch wenn Chanson vom künstlerischen Anspruch weniger bietet als Operette, die wiederum nur kleine Schwester der Oper ist, diese wiederum flach gegenüber der Kunst der Fuge, so ist das Perfektion. Schönere, ergreifendere Melodie und Vortrag ist kaum möglich; ein blonder Traum von Mädchen beglückte Herzen ihrer Zeit. Meine Kritik richtet sich gewiß nicht gegen sie, doch dürfen Leser meiner Bücher und Artikel mehr erwarten als unkritische Schmeichelworte.

InCel in der Vereinigten Staaten von Amerika schaffen übrigens gerade den Durchbruch, der meinen Büchern seit den 1980ern verwehrt blieb, weil es im feministischen BRD-Regime Staatsräson zu sein scheint, jede Stimme männlicher Verlierer, insbesondere aber die gefährliche Jan Deichmohles, so vollständig zu unterdrücken, daß niemand liest und ernstnimmt. Die InCel, die wegen weiblicher Wahldiktatur und Männerüberschuß in unfreiwilligem Zölibat leben müssen, werden ignoriert, angefeindet, bekämpft, als könne man eine logische Erscheinung und herzlose, himmelschreiende Ungerechtigkeit dadurch loswerden, daß man ihre Opfer noch verhöhnt, anfeindet und unterdrückt. Jedenfalls fordern die InCel der USA, von der nicht funktionierenden Damenwahl beim Flirt zurückzukehren zu vermittelten Beziehungen, weil sich anders das Problem nicht lösen läßt, zunehmend viele Männer zu grausam diskriminierten Verlierern ausgeschlossen und degradiert werden. Das entspricht einem anderen deutschen Lied von France Gall, auf das sich diese InCel berufen können. In einem heute wieder hochaktuellen Lied beschrieb sie den Computer, der perfekte Paare bilden könne – das geht natürlich nur, wenn Grenzen dicht und Männerüberschuß ausgewiesen ist, weil es sonst nicht einmal numerisch aufgehen kann. Wer das nicht kapiert, ist nicht ‚moralisch überlegen’, auch kein guter Mensch, sondern einfach nur strohdoof, dermaßen dumm, daß er einen sexuellen Androzid anrichtet und sich dann dabei noch einbildet, daran wegen ‚guter Absichten’ und Dummheit unschuldig zu sein.

«Der Computer weiß genau

für jeden Mann die richtige Frau,

und das Glück fällt im Augenblick

aus seiner Kartei.

Denn einer von vielen Millionen,

der wartet auf mich irgendwo.

Der Computer Nr. 3

sucht für mich den richtigen Boy,

und die Liebe ist garantiert für beide dabei.» (France Gall, Der Computer Nr. 3, 1968)

Als France Gall noch ein Mädchen war, das erste Auftritte machte, gab es Kritiker, die ihr nachsagten, sie sei eine ‚Vatertochter’, wie ich es nicht besser aus dem Französischen zu übersetzen weiß. Darüber regten sich ihre Verehrer begreiflicherweise auf. Natürlich soll eine Frau, die viel unschuldige Anmut und Gefühl ausstrahlte in eine Zeit, der daran mangelt, geschätzt werden; seit Januar 2018 fehlt sie uns. Doch die Kritik war dann berechtigt, wenn diese nicht an sie, sondern an unsre Epoche gerichtet wird, die tatsächlich von Vatertöchtern und Muttersöhnen gekennzeichnet ist. Viele Schläger der Antifa sollen noch zu Hause bei Mutti leben – Muttersöhnchen. Mädchen traten dagegen zunehmend in die Fußstapfen ihrer Väter. Weibliche Frauen starben so aus, da Feminismus sie bekämpfte, als ‚Rollenklischee’ verächtlich machte, es unmodern wurde, kein Mädchen mehr diese wichtige Hälfte der Welt weiterleben wollte. Sie verschwand aus der Welt. Ganze Generationen wurden gezeichnet von Geschlechterverwirrung und dem völligen Zerfall geschlechtlicher Ergänzung, die ein menschliches Bedürfnis ist von gleicher Bedeutung wie Sprache, und sich in ähnlich früher Kindheit angeboren auszuprägen versucht – wenn Erwachsene sie nicht darum betrügen, indem sie ihnen eine seelenlose, kulturlose Welt vorsetzen, in der sie sich nicht gesund ausprägen können. Daher hatten die Kritiker durchaus recht: Es gab und gibt Probleme mit Vatertöchtern, nur ist das ein Problem aller, und ganz gewiß nicht einem Mädchen anzulasten, das mehr unschuldige Anmut zeigte als so viele andere.

Ähnliches gilt für viele sogenannte Vorurteile: So falsch es ist, bestimmte Menschen mit ihnen zu belasten, weil sie nichts damit zu tun haben, oder selbst nur Opfer einer alle betreffenden Fehlentwicklung sind, brauchen die Vorurteile trotzdem nicht ganz unbegründet sein – es kann sich auch um eine natürliche, instinktive Schutzreaktion handeln, die lebensnotwendig ist, oder eine im Grunde richtige Beobachtung, daß etwas schief läuft, die dann nur irrational gedeutet und falsch instrumentalisiert wird. Trotzdem wäre es fatal, solche Beobachtungen mitsamt der Realität unterdrücken zu wollen: Es ist lebenswichtig, die Wirklichkeit wahrzunehmen, um verhängnisvolle Fehler zu vermeiden oder abzustellen, bevor es zu spät ist. Wer mit solchen ‚Vorurteilen’ auch notwendige Beobachtung der Realität oder natürliche Schutzinstinkte unterdrückt, begeht größtmöglichen Schaden, denn irgendwann wird die Fehlsteuerung mitsamt Problemen so groß, daß alles zusammenbricht.

Nun aber zurück zu France Gall, die liebevoller sang als viele andere. Ihr Lied über den traurigen Jungen verrät ein Stück Empathie, die sonst so selten geworden ist. Also nichts gegen France Gall!

«Armer trauriger Junge

Gefangener der Stadt

Armer steriler Feigenbaum

Armer trauriger Junge …

Du verschlingst mich mit den Augen

Du schälst meine Haut

Du ißt mich mit Begehren.

Und du sagst mir diese Worte …

Du siehst den Himmel nicht

Du weinst die Sonne»2 (France Gall, Aprikosenstraße, 1968)

So hätten die meisten Lieder, Bücher und Filme sein müssen, voll Mitgefühl mit unseren eigenen männlichen Verlierern. Doch dies ist in Jahrzehnten die einzige Spur, die ich gestern fand. Tatsächlich war France Gall aber eine ‚Vatertochter’, wie ihre Kritiker behauptet hatten. Einige ihrer Lieder sind sogar von ihrem Vater geschrieben worden. Obwohl ich das Lied musikalisch gelobt hatte, weil es die Seele anspricht und klassischer Musik näher kommt, wie eine kleine Schwester der Operette, bleibt trocken zu bemerken: Als Kind liebte sie einen Hampelmann, der sich in den Traumprinzen ihrer Kindheit verwandelt, der dazu da ist, sie zu lieben. Mehr eigenes Leben hat der arme Hampelmann leider nicht. Als die Mutter ins Zimmer tritt, verwandelt sich ihr Traumprinzschatz diskret zurück in einen Hampelmann, so daß Mami nichts merkt. Der Witz wird dadurch verschärft, daß der Hampelmann in ihrem Lied weiblich ist, was der Verwandlung in einen Hampelmann noch eine Geschlechtsumwandlung draufsetzt.

Anmutig und unschuldig vorgetragen, rührt France Gall. Doch tatsächlich ist die Welt nicht so lustig, denn wir sind alle mehr oder weniger zu Hampelmännern geworden, mit denen durch Feminismus und Emanzipation entgleiste Frauen spielen, die entsorgt oder ignoriert werden, wenn frau sie gerade nicht braucht. Wie viele Verlierer dabei entstehen ist scheißegal; die werden nur noch zusätzlich verhöhnt. Daher ist das Lied, so süß es wirken mag, auch ein Fanal für das kommende Zeitalter der Hampelmänner und unweiblichen Frauen, die aus Vatertöchtern wurden, einer egozentrischen Orientierung an weiblichen Modellen, die letztlich keine Reifung ermöglicht, sondern infantile Erwachsene hervorbringt.

Fußnoten: Originallyrik

1 «Mais un jour mon polichinelle
En un grand garçon s’est changé
Il m’a dit:
„Vous êtes bien celle Que je vais aimer”
C’était le prince charmant
Dont je rêvais quand j’étais enfant
Il m’a prise dans ses bras
Et m’a dit tout bas:
„Déguisé en polichinelle
Je suis là pour vous emmener
Et demain une vie nouvelle
Pour tous les deux va commencer”
Oui mais juste à ce moment-là
Soudain j’ai entendu des pas
C’était ma mère qui arrivait
Et dans ma chambre, elle est entrée
Le garçon en polichinelle
Comme par miracle s’est changé
Dans son bel habit de dentelle
Assis sur mon lit
Je ne sais pas si j’ai rêvé
Ou bien si c’est la réalité
Mais moi j’ai depuis ce jour
Rencontré l’amour (France Gall, Polichinelle, 1967)

2 «Pauvre garçon triste
Prisonnier de la ville
Pauvre figuier stérile
Pauvre garçon triste …
Tu me dévore de l’oeil
Tu m’épluches la peau
Tu me mange d’envie
Et tu me dis ces mots …
Tu ne vois pas le ciel
Tu pleures le soleil» (France Gall, Rue de l’abricot, 1968)

Hadmut Danisch spekuliert wieder mal dilettantisch, ohne Hauch einer Ahnung, herum

Hadmut Danisch spekuliert wieder mal dilettantisch, ohne Hauch einer Ahnung, herum

«Hexenverbrennungen
Hadmut 31.10.2019 22:08

Ein Leser tadelte mich unlängst, weil ich geschrieben hatte, dass die Christen im Mittelalter Hexen verbrannt hätten.

Naja, um ehrlich zu sein, hatte mich sogar zwei Leser getadelt. Einer meinte, dass die mit kleinen Kindern Dinge angestellt hatten, für die man sich, und das zu Recht, auch heute noch verbrennen würde, weil man die schlimmstmögliche Abschreckung brauchte, um die davon abzuhalten, Kinder zu foltern, die seien im Prinzip sowas wie ein Kinderschänder- und -folterring gewesen, und die Leute seien keineswegs abergläubig, überreligiös oder hexenfürchtig gewesen, sondern seien sehr pragmatisch und bodenständig und vor allem rational und systematisch vorgegangen, indem sie Hexen zur Abschreckung öffentlich verbrannt hätten, damit andere das nicht weiter machen.

Hört sich plausibel an, die Frage ist aber, worauf das beruht. Mir wäre jetzt nicht bekannt, dass das in irgendwelchen Prozessunterlagen, die man da noch gefunden hat, Niederschlag gefunden hatte. Da müsste es ja zumindest in ein paar Fällen shcriftliche Belege oder Berichte oder etwas gegeben haben.

Der andere, der mich tadelt, schreibt ähnliches genau andersherum. Auch er schreibt, dass die Leute damals keineswegs abergläubig und auf dem Mystik-Trip waren, sondern genau wussten, dass es Magie nicht gibt, die seien so intelligent gewesen wie Leute der Neuzeit, es habe aber eine kleine, aggressive Gruppe gegeben, die diese Hexenverbrennungsaktionen durchgeprügelt und alle beschimpft und angeschuldigt haben, die nicht mitmachten.

Jetzt überlege ich, ob der erste Recht hat und Feministinnen/Grüne und kinderschändende Hexen aus dem gleichen Material sind, oder ob der zweite Recht hat, und Feministinnen/Social-Justice-Warrior/Klimakämpfer und Hexenverbrenner aus dem gleichen Material sind.»1 (Hadmut Danisch)

Hadmut Danisch kann nur wilde, verschwörungstheoretische Spekulationen und ebenso unbegründete Assoziationen aufbringen. Er faselt wie ein Kind, schreibt nicht überlegt wie ein Doktor oder Professor. Wenn er von heiklen Themen keine Ahnung hat, sollte er die Finger davon lassen. Aber Dummköpfe begreifen vor allem eins nicht, nämlich daß sie dumm sind. Unwissende wissen vor allem die Tatsache ihres Unwissens nicht.

Zuweilen findet ein blindes Huhn ja sprichwörtlich ein Korn, sind die hemmungslosen Assoziationsketten von Danisch halbwegs richtig. Kritisch zu sein versucht er ja. Doch dazu braucht es solide Information, kein Geflüster genauso unwissender Informanten. Beide Alternativen, die er angibt, sind gefährlicher Quatsch, den man bei heiklen Themen wie mittelalterlichen Verfolgungen oder Holocaust tunlichst vermeiden sollte. Das ist einfach kein Thema, bei dem ein ernstzunehmender Mensch rumspinnen kann.

So, und jetzt eine richtige Antwort: Es gab im Mittelalter keine Hexenverfolgungen, weil das falsch unterstellt, das Ziel seien Frauen gewesen. Nein, es war nicht geschlechtsspezifisch. Im Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wurden mehr Männer als Frauen als Hexer umgebracht. (siehe Martin van Creveld, Das bevorzugte Geschlecht) Daß jedoch überhaupt Frauen in größerer Zahl getötet wurden, erschien angesichts angeborener Frauenbevorzugung und Kavaliersinstinkte, die Frauen und Kinder besonders schützen, als dermaßen ungeheuerlich, daß man von Hexenverbrennungen sprach, dabei männliche Opfer übersah, weil es normal erscheint, wenn in Konflikten Männer sterben. Auch in anderen Ländern waren es fast gleich viele männliche wie weibliche Opfer; bei uns mehr männliche.

Worum ging es also tatsächlich? Diese Sache läßt sich klären. Ein mittelhochdeutsches oder altneuhochdeutsches Wort für Ketzer war „Drudner”, das gleichen Wortstamm und Bedeutung wie Druide hat. Die Verfolgungen und Verbrennungen galten Ketzern, das heißt Abtrünningen vom damals als einzig rechtmäßig angesehenen katholischen Glauben. Zum Opfer fielen übrigens auch Templer des Templerordens, der möglicherweise zu reich und mächtig geworden war, daher in Ungnade fiel, um ihn auszuplündern. Als Ketzer verbrannt wurden auch Vorläufer Martin Luthers, der selbst nur mit Glück einem solchen Schicksal entkam. Die erste Bibelübersetzung ins Deutsche stammte von den Hussiten, von denen einige aus Böhmen nach Sachsen geflohen waren. Die Bibliothek eines Gymnasiums in Freiburg (Erzgebirge) hat so ein Exemplar einer hussitischen Bibel in deutscher Sprache, älter als die Bibelübersetzung Luthers. Auch der Reformator Hus wurde verbrannt.

Es war nicht so, daß Kaiser oder Reich Glaubensabtrünnige verfolgen wollten. Im Gegenteil, sie drückten sich, so weit sie konnten. Etliche deutsche Kaiser stellten Juden unter ihren Schutz. Doch es gab immer wieder Druck des Papstes, der mit dem Kaiser um Macht kämpfte. Eine fundamentalistische Machtergreifung fand unter Papst Gregor VII. statt, eine geradezu fanatisch besessene Figur voller Machthunger, die alle weltliche Macht an sich reißen und Kaiser zum Befehlsempfänger degradieren wollte. Gregor VII. hatte damit ein ähnliches Konzept wie fundamentalistische Islamisten, die einen Gottesstaat mit Kalifen wollen, die alles irdische Leben religiös reglementieren. Gregor VII. zwang den deutschen Kaiser Heinrich IV. zum demütigenden und sprichwörtlich gewordenen Bußgang nach Canossa. Eine Waffe der Päpste war die Drohung mit Exkommunikation und Kirchenbann, die Ansehen und Macht des Kaisers gefährdeten. Sie wären vogelfrei gewesen; jeder hätte sie ergreifen und straflos töten dürfen. Unter dieser Androhung erzwangen Päpste wiederholt, nichtkatholische Sekten, die sich gebildet hatten, mit seinem Heer zu bekämpfen, darunter auch Sekten in Norddeutschland, denen sexuelle Riten nachgesagt wurden, und die angeblich eine Inspirationsquelle für das Gemälde Der Paradiesgarten von Hieronymus Bosch gewesen sein sollen.

Vor nichtkatholischen christlichen Sekten, die zu Ketzern erklärt wurden, war das Ziel der Verfolgungen ursprünglich der Stand der Druiden gewesen, dem heidnischen geistlichen 2. Stand. Die Einteilung in Adelige (Indien: Kschatrijas), Geistliche (Indien: Brahmanen) und den dritten Stand des werktätigen Volkes (in Indien gesellte sich noch ein 4. hinzu, wohl durch Assimilation der Urbevölkerung) war uralt, fand sich in allen Zweigen des indogermanisch-slawisch-keltischen Sprach- und Kulturraums. Damit die christlichen Geistlichen zum neuen geistlichen Stand werden konnten, mußten sie den vorgefundenen der Druiden beseitigen. Das geschah offenbar brutal, durch Drudnerverfolgungen oder Ketzerverfolgungen, wobei Drudner die Bedeutung von Ketzer erhielt. Ob Mann oder Frau war dabei egal. Man fürchtete das alte Wissen, ein Wiederaufleben des alten Glaubens, der heidnisch genannt wurde, und dessen Heiligtümer zerstört, heiligen Bäume gefällt wurden, oder ein Wiedererstehen heidnischer Geistlicher oder ihres Wissens. Karl der Große befahl einem Schriftkundigen, alte germanische Sagen und auch religiöse Überlieferungen aufzuschreiben. Schriftkundig waren am Hofe leider nur christliche Priester des neuen geistlichen Standes. Vielleicht wären Druiden auch schriftkundig gewesen, allerdings nicht lateinischer Schrift, sondern eher mit Runen, doch die gab es gerade nicht am Hofe des christlichen Karls. Der christliche Geistliche tat zwar, wie Kaiser Karl verlangt hatte, doch nach dessen Tod verschwand das Buch auf Nimmerwiedersehen. So sind unsere Sagen und Wissensschätze aus vorchristlicher Zeit ausgerottet. Das war das Ziel der Hexerverbrennungen.

Wenn Frauen angezeigt wurden, dann geschah das meistens durch andere Frauen, was oft von Neid oder Mißgunst motiviert gewesen sein mag. Das Problem dieser Frauen waren auch nicht männliche Richter, die solche Bezichtigungen meist eher kritisch sahen und dazu geneigt hätten, die Frauen zu schützen, sondern ihr Fehlen, schrieb Martin van Creveld in seinem Buch. Die mindestens gleiche Zahl junger Männer, die ebenso als Ketzer verfolgt wurden, ist jedoch in unserem einseitigen kollektiven Gedächtnis untergegangen.

Aber all das weiß Hadmut Danisch nicht. Hadmut Danisch ist ungebildet und dumm in dem Sinne, daß er seine Grenzen nicht kennt und nicht einmal merkt, wenn er Unsinn verbreitet, hat auch nicht das Rüstzeug, über solche Fragen scharf nachzudenken. Er ist wie eine alternative BILD-Zeitung. Selbst hält er sich für schlau, weil er fast in Informatik promoviert oder habilitiert hätte, aber auch das hat offenbar wenig genutzt, seinen Geist nicht wie reine Mathematik geschärft und von mythischem, verschwörungstheoretischem Spekulieren in Assoziationsketten befreit. Eine ebenso schlecht gebildete Epoche bejubelt ihn: Endlich einer, den sie verstehen können! Natürlich freut es Dumme, wenn sie bestätigende Beiträge von ähnlich Dummen lesen. Wer wirklich etwas weiß und stringent denkt, wird dagegen zeitlebens totalignoriert. Die einzigen, die Qualität erkennen könnten, wären echte Professoren an echten Hochschulen, die es jedoch nicht gibt, weil überall feministischer, linksradikaler und grüner Ungeist Ideologie verbreitet, die alles, was ich schreibe, fürchtet und haßt wie die Pest, denn es ist genau das, was ihre Ideologie entlarvt. Lest meine Bücher, die unbedingt die seit Jahrzehnten bestehende Mauer eisigen Schweigens und totalen Desinteresses durchbrechen müssen!

Fußnote

1 https://www.danisch.de/blog/2019/10/31/hexenverbrennungen/

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